Indien zu Hause statt zu Hause in Indien
So sauber war meine Küche schon lange nicht mehr. Denn heute erwarte ich Besuch. Bhumi und Asit sind Mietköche, die mir und meinen geladenen Gästen heute die indische Küche aus dem Gujarat nahebringen werden. Ich habe einen Kochkurs bei den beiden gebucht. Und alle dürfen mitmachen. Die beiden kommen mit zwei großen Taschen und haben alles dabei. Essen für 5 Personen. Sie packen aus. Viele kleine Döschen und Gläschen mit Gewürzen in unterschiedlichen Farben. Mir unbekannte Gemüsesorten werden auf die Arbeitsplatte gelegt. „Was ist das?“, fragt Richard. „Das ist ein Flaschenkürbis“, sagt Asit.
Asit kam 2008 nach Deutschland, um hier zu studieren. Und weil er seine Heimatküche so vermisste, musste er sich selbst das Kochen beibringen. In Indien hat er es nämlich nicht gelernt: „In Indien dürfen die Männer nicht zu Hause kochen. Das erledigen die Frauen. Da herrscht noch die alte Tradition: die Männer verdienen das Geld, die Frauen arbeiten in der Küche.“ Mittlerweile beherrscht er sehr viele Gerichte aus seiner Heimat. Mehr als seine Frau Bhumi, die wie er auch aus Gujarat kommt, die er letztes Jahr heiratete und die, entgegen der Tradition, auch nie kochen gelernt hat: „Meine Mutter hat immer gekocht. Ich hatte früher nie Interesse, es zu lernen.“ Asit brachte es ihr dann in Deutschland bei.
Während beide ihre Utensilien auspacken, erzählt Asit: „Unsere Küche ist eine regionale Küche aus Gujarat. 90% unseres Essens dort ist vegetarisch. Das war mir nie klar, das wurde mir erst in Deutschland bewusst. Bei uns dominieren Auberginen, Kartoffeln und eine gute Vielfalt aus vielen Getreiden und Hülsenfrüchten.“
Die indische Küche ist sehr vielfältig, es gibt nicht DIE indische Küche. Ich erfahre, dass das Essen, das wir sofort assoziieren, Gerichte aus dem Punjab sind, einem Bundesstaat im Norden Indiens: Fleisch, Reis und scharfe Soße wie z.B. Chicken Tikka Masala, sehr stark gewürzt und sehr scharf. Die Küche aus dem Bundesstaat Gujarat im nordwestlichen Indien ist deutlich milder gewürzt, gekocht wird mit Linsen, Kichererbsenmehl, Kartoffeln und Guarbohnen. „Es gibt in Köln kein Restaurant, das die Küche aus Gujarat anbietet.“ Jetzt bin ich gespannt, wie mir das Essen schmecken wird. Mittlerweile sind auch alle Gäste eingetroffen. Es gibt ein großes Hallo, alle Gewürze werden angeschnuppert, man rätselt, wie welches Produkt in Deutschland heißt. Manches ist leicht googelbar, anderes gar nicht. Livia isst generell sowieso vegetarisch, Inga erwähnt sofort, dass Asit bei ihr lernen kann, wie man den perfekten Schweinebraten zubereitet. Aber jetzt müssen zuerst die verschiedenen Zutaten durchprobiert werden. Wir greifen in eine Schüssel mit kleinen, braunen Böhnchen. Schmeckt wie, Moment mal: „Maroni! Das schmeckt wie Maroni!“, findet Livia, und alle stimmen ihr zu. „Das sind braune Kichererbsen“, sagt Asit. Erstaunlich! In einer Tüte befinden sich „Kichererbsennudeln“, so nennt Asit sie. Wir probieren. Sie schmecken wie eine gesunde Variante von Yum Yum, den Instant-Nudeln, wie Teenager sie gerne trocken aus der Tüte futtern. Sehr lecker. Diese Nudeln werden in die Vorspeise eingerührt. Und da sind wir auch schon mittendrin im Kochen: Jeder, der mitmachen möchte, darf gerne mitmachen. Asit und Bhumi erklären jede Zutat, wo man sie in Köln kaufen kann und wie man sie korrekt zubereitet, schält und kocht.
Erstes Gericht: Khandvi Ich habe mich im Vorgespräch für Khandvi (eingerolltes Kicherbsenmehl) entschieden. Es handelt sich dabei um Kichererbsenmehl, das man einrollt. Kein Witz. Es wird zu einem Teig gerührt, dann dünn auf eine Alufolie aufgetragen und von da vorsichtig abgenommen und zu einer Rolle geformt. Inga muss laut lachen, weil das unmenschlich schwierig aussieht. Sie probiert es sofort aus, und siehe da: es gelingt! Auch Livia probiert es: „Das ist so intensiv. Man ist plötzlich mitten im Teig.“
Die Rollen werden auf einen Teller gelegt und mit geröstetem Sesam und Curryblättern dekoriert. Asit: „In Indien sitzen wir alle auf dem Boden und essen, ein Teller wird in die Mitte gestellt, und jeder nimmt sich mit den Händen, was er essen möchte.“
Zweites Gericht: Chit Chat
Wir nehmen noch an der Vorbereitung der zweiten Hauptspeise teil. Sie ist ein fantastischer Salat aus Reisflocken, Murbura (Puffreis), Mango, gemischt mit Kartoffeln und braunen Kichererbsen, durchdrungen von den Kichererbsennudeln. Er sieht nicht nur fantastisch aus, er schmeckt auch so.
Mittlerweile haben wir uns an den Tisch gesetzt, und wir essen auch nicht mit Händen, sondern mit Besteck. Aber wir fühlen uns schon sehr indisch. Bhumi serviert zum Abschmecken ein süßsaures Tamarindenchutney und eine grüne, vorbereitete Paste, die aussieht wie Pesto. Aber sie ist eine Mousse aus Koriander und Minze. Zuviel für Livia: „Ein bisschen geht, aber ich mag Koriander eigentlich nicht. Der hat so einen unbelüfteten Nachgeschmack.“ Wir anderen hingegen langen zu. Drittes Gericht: Handvo Ab dem dritten Gericht sitzen wir nur noch am Tisch und lassen es uns schmecken. Bhumi serviert uns den sog. Speisekuchen: er ist aus luftfermentiertem Reis, mit Schwarzlinsen, halbierten Kichererbsen und Rotlinsen gebacken. Ein mächtiger Kuchen. Viertes Gericht: Rote Bete Kotelett Die Zubereitung habe ich schon auf youtube gesehen. Jetzt haben wir die ersten Ausfälle: noch pappsatt vom Handvo! Fünftes Gericht: gefülltes Fladenbrot mit einem Curry aus Flaschenkürbis, Melone und Linsen
Alle probieren von dem letzten Gang, er ist lecker, heiß und angenehm mild. Mittlerweile sind alle satt.
Es wurden viele Fragen gestellt, viele Fragen beantwortet, Ideen ausgetauscht und Inspirationen gewonnen, neue Geschmacksnerven getroffen und Neugier auf eine andere, indische Küche geweckt.
Ich frage in die Runde: was habt Ihr erwartet, und wie fandet Ihr den Abend? Livia: „Das Essen wirkte auf mich indisch-orientalisch. Ich mag es, wenn es so frisch und lecker und gemüselastig wird. Dass es heute Abend vegetarisch wird, das hat mich überrascht. Es war auch nicht scharf. Ich ärgere mich, wenn es zu scharf ist, weil die Schärfe dem Geschmack die Grundsubstanz nimmt. Was ich heute mochte, war die Mango im Salat, das werde ich nachahmen. Und die Kichererbsen fand ich toll, die hatten sowas Erdiges. Nur den Koriander, den würde ich komplett weglassen.“ Inga: „Ich esse sehr gerne indisch und habe erwartet, dass ich einige Gerichte kenne. Ich musste aber feststellen, dass ich kein einziges Gericht kannte. Am liebsten mochte ich die Rote Bete Koteletts und den Salat. Der war gigantisch!“ Richard: „Es war sehr lecker, mir hat alles geschmeckt. Den Salat fand ich am allerbesten.“ Die Preise für die privaten Kochkurse variieren je nach Teilnehmerzahl und Gerichtauswahl.
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Alle Fotos: Tamara Soliz
Erschien zuerst auf Meine Südstadt.