Prince Lars und der blinde Hund
Die Idee für diese Hunderunde entstand, als ich Andreas Moll, mit dem ich vor einigen Jahren das Buch "Hunderunden - die 24 schönsten Touren in und um Köln" für den Bachem-Verlag gemeinsam realisierte, bei LeoLeo traf. Andreas betreibt die Webseite "www.hunderunden.de", und das Konzept ist es, mit interessanten Menschen und/oder Hunden eine Hunderunde zu drehen und dabei mehr über Mensch und Tier zu erfahren.
Ich plauderte mit Andreas während der PASSAGEN 2020, dem Interior Design Festival, in den Räumen von Leo Leo bei Cocktails und schicker Musik. Dabei kam ich auf die Idee, dass er doch mit Lars Tönsfeuerborn, dem Gewinner des Herzen des Prince Charming, in Düsseldorf eine Hunderunde drehen soll. Ich erzählte ihm von dem charismatischen Podcaster, der einen blinden Hund hat, und dass das doch sicher eine interessante Begegnung sein könnte. Außerdem sei gerade die Grimmepreis-Nominierung für "Prince Charming" raus! Andreas sagte: "Warum machst Du das nicht selbst? Triff Dich mit ihm, mach mit ihm eine Hunderunde!" Am nächsten Morgen schrieb ich Lars auf Instagram an, wir fanden einen Termin, und so fuhr ich an einem kalten Februartag, an dem Corona noch keine Rolle in unseren Köpfen und schon gar nicht in unserem Alltag spielte, nach Düsseldorf, parkte an einem mexikanischen Restaurant und traf Lars. Später setzte ich mich an das MacBook und schrieb für www.hunderunden.de folgenden Text (von mir minimal verändert).
2019 entschied TVNOW, das Erfolgsformat „Der Bachelor“, in dem 20 attraktive, junge Frauen um einen Junggesellen buhlen und der sich nach luxuriösen Dates in tropischen Gefilden nach und nach von ihnen trennt, bis die eine übrigbleibt, jetzt auch mit schwulen Männern zu realisieren. Vorerst nur online, hinter einer Bezahlschranke, und auch mit einem etwas abgewandelten Namen: „Prince Charming“.
Prince Charming, im wahren Leben Nicolas Puschmann, der attraktive und charmante Bachelor, fand auf Kreta seine große Liebe, Lars Tönsfeuerborn. Der wiederum ist ein junger Mann, der bis dato einer eingeschworenen Internetgemeinde als Teil des Podcast „schwanz & ehrlich“ und weniger für Romantik bekannt war. TVNOW und Nicolas Puschmann wurden für das wertige Format mit dem Grimmepreis gewürdigt. Das Format wird fünf Monate, nachdem es online ging, ab dem 20. April 2020 auf VOX laufen.
Wer Lars auf Instagram folgt, stellt sehr schnell fest, dass nicht nur Nicolas ein Teil seines Lebens ist, sondern auch ein kleiner Hund: Gizmo.
„Wann hast Du das letzte Mal die Gremlins gesehen?“ – „Das muss als Kind gewesen sein. Den Namen hat er jedenfalls von seinem Vorbesitzer.“
Lars fand Gizmo auf Ebay Kleinanzeigen. Der Jack-Russell-Terrier war erst neun Monate alt, als seine Vorbesitzer, eine Familie mit kleinem Kind, entschieden, ihn wegzugeben. „Ich weiß nicht, ob er es schön hatte in seinen ersten Monaten“, sagt Lars, „er war jedenfalls anfangs eher ängstlich.“
Lars ist mit vielen Hunden auf dem Landgestüt NRW im Münsterland großgeworden, auf dem sich sein Vater als erster Hauptsattelmeister um den Erhalt einheimischer Pferderassen kümmerte. Als Lars 20 wurde und in einer WG lebte, wollte er einen eigenen Hund, und so kam Gizmo in sein Leben.
Seitdem sind neun Jahre vergangen. Lars ist mittlerweile fast 30 und selbstständiger Medienunternehmer, und Gizmo durch eine Netzhautablösung seit drei Jahren blind.
Wir treffen uns im schönen Pempelfort, dem Stadtteil Düsseldorfs, in dem es die meisten Bioläden, Buchhandlungen und Restaurants gibt. Der 30 ha große Hofgarten befindet sich um die Ecke und mitten in der Stadt. Er ist, weil bereits 1769 angelegt, Deutschlands erster und ältester Volksgarten.
Wir betreten ihn durch die Jägerhofallee, die ihrem Namen alle Ehre macht: Baum an Baum an Baum. Außer ein paar Gartenarbeitern, die Laub hin- und herschieben, ist es ruhig, aber auch frisch. Schließlich haben wir Mitte Februar.
„Wie hast Du denn gemerkt, dass Gizmo blind wurde?“ „Es begann damit, dass er ständig wogegen lief. Ich bin dann mit ihm zum Arzt, dort wurde sein Augendruck gemessen und Augentropfen verschrieben. Ich habe getan, was ich konnte, aber es war alles zu spät.“
Gizmo läuft schön an der Leine neben seinem Herrchen her und ist für seine neun Jahre lebhaft und fröhlich. Wir kommen an eine große Wiese, einen der beiden Hundeauslaufplätze des Parks. Lars lässt Gizmo von der Leine und nestelt ein Gummispielzeug (tatsächlich eins ohne Quietschton) aus seiner Jackentasche. Jeder Passant, der dem nun folgenden Schauspiel beiwohnt, würde niemals auf die Idee kommen, dass der kleine Hund, der so motiviert hinter der Wurfplastik herrennt, blind ist. Immer wieder wirft Lars das Teil, und Gizmo rennt und hüpft in Wurfrichtung, nimmt es auf und bringt es zurück. Nur manchmal, wenn Lars die Position ändert, wirkt Gizmo irritiert und sucht ihn. Dann ruft ihn Lars, und Gizmo läuft in seine Richtung.
„Würdest Du auf die Leine verzichten in der Stadt, wenn Gizmo noch sehen könnte?“ „Nein. Gizmo war schon immer sehr wiggelig, das wäre zu gefährlich gewesen. Und jetzt geht das sowieso nicht mehr.“
„Wie war das für Dich, als Du erfahren hast, dass Gizmo blind ist bzw. blind wird?“, frage ich ihn.
„Das war ganz schrecklich“, sagt Lars, „ich war unendlich traurig und musste so weinen. Ich rief meine Stiefmutter an und schluchzte immer nur „Gizmo, Gizmo“, und sie war schon total erschrocken und dachte, er wäre tot. Ich brauchte einige Zeit, um mit seiner Erblindung klarzukommen. Aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Ich gehe jetzt immer regelmäßig mit ihm zu unserer tollen Tierärztin, Frau Dr. Sommer. Sie misst den Augendruck, denn wenn der zu hoch wäre, hätte Gizmo Schmerzen, und Schmerzen soll er keine haben“, sagt Lars bestimmt.
Lars holt ein Leckerchen aus seiner Jacke. Gizmo freut sich. Ansonsten bekommt er Trockenfutter. „Ich glaube, das ist auch gut für die Zähne. Er verträgt es super. Und wenn er irgendwann nicht mehr beißen kann, gebe ich ihm Nassfutter. Aber aktuell kommt er gut mit den kleinen Kroketten klar.“
Am Schwanenhaus machen wir kurz Halt. Vor Schwänen haben wir beide Respekt, und wenn Gizmo die großen Vögel sehen würde, wäre er sicher nicht so ruhig. Aber er sieht sie ja nicht. Und sie nehmen keine Notiz von ihm.
„In einer Instastory von Dir habe ich gesehen, wie Dein Freund die Treppen hoch nach Hause kommt, und Gizmo sich total auf ihn freut, obwohl er ihn nicht sehen kann.“ „Ja, er riecht und hört ihn dann schon. Ich bilde mir ein, er hört und riecht besser, seit er nicht mehr sehen kann.“
„Du hast Gizmo bekommen, da warst Du erst 20. Normalerweise will man da ja nicht schon Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen und auch abends unterwegs sein. Wie war das für Dich?“ „Ich habe lange Jahre in WGs gewohnt, da war immer jemand da, der sich um Gizmo gekümmert hat. Ich konnte ihn auch zu meinen früheren Arbeitgebern zur Arbeit mitnehmen, das war schon toll. Jetzt bin ich selbstständig, und Gizmo kann überallhin mit, wenn es passt. Als ich auf Kreta bei den Dreharbeiten zu Prince Charming war, hatte ich ihn zu einer Freundin gebracht, die ihn betreut hat. Und wenn ich nächste Woche mit Nicolas zusammenziehe, bringe ich ihn für eine Woche wieder zu einem Freund, der ihn schon ewig kennt. Denn der Umzug wäre zu stressig für Gizmo. Er kommt erst in die neue Wohnung, wenn alles fertig ist.“
Gizmo ist überhaupt ein pflegeleichter Hund, Lars geht morgens, mittags und abends mit ihm raus. Wenn er auch nichts sieht, so verträgt er sich doch gut mit anderen Hunden. „Mir tut es schon richtig leid, dass er nicht mehr mit anderen Hunden auf der Wiese tollen kann. Aber zum Glück kann er sich auch alleine sehr schön beschäftigen. Wenn ich ihm zu Hause einen Ball gebe, hat er richtig lange mit dem Spaß.“
Wir sind wieder in der Jägerhofallee angekommen. 90 Minuten hat unsere Hunderunde gedauert. Einmal durch den Park, an den Schwänen und ihrem Haus vorbei, in dem sich seit 1994 Tierschützer um kranke oder verwundete Schwäne, Gänse und Enten kümmern, zur Hundewiese und wieder zurück. Obwohl der Park mitten in der Stadt und zwischen lauten Straßen liegt, ist er eher ruhig. Im Sommer bieten drei Spielplätze sicher die Kulisse für viel Kinderstimmengewirr. Dann verbringen die Angestellten der umliegenden Büros ihre Mittagspause hier, und auf den Wiesen, auf denen jetzt die Hunde laufen, liegen Sonnenanbeter. Aber jetzt ist immer noch Februar, es ist immer noch frisch. Wir ziehen die Reißverschlüsse an unseren Jacken hoch, umarmen uns zum Abschied, und Lars geht mit Gizmo nach Hause, wo der echte Prince Charming schon auf beide wartet. Und ich wette, Gizmo erkennt ihn schon am Treppenabsatz.
Der Artikel erschien zuerst auf www.hunderunden.de