Ich will Maxi Gstettenbauer sein!
Wir treffen uns an einem Tisch in der Sonne vor der Elsa. Es gibt Spaghetti Bolognese und hausgemachte Limonade. Maxi Gstettenbauer hat heute noch einiges vor. Der Stand Up Comedian muss zum Fotografen, neue Fotos für das Pressematerial für die anstehende Deutschland-Tour machen. Der Bayer aus der Südstadt ist einer der größten Geheimtipps, den es in der deutschen Stand Up Comedy gibt.
Du bist ja schon sehr jung in die Welt gegangen und hast gewusst: ich stelle mich irgendwo hin, und die Leute schauen mich an. War das die ursprüngliche Motivation: gesehen zu werden?
Das hat einfach damit zu tun: man sitzt in der Klasse, macht einen Witz, alle lachen – das fühlt sich gut an.
Wie heute die Facebook-Likes: das Kokain des kleinen Mannes.
Über die Jahre habe ich ein sehr zwiespältiges Verhältnis zum Lachen, denn Lachen wird ja in Deutschland total gehypt: Lachen ist die beste Medizin... Nein! In einigen der schlimmsten Momente Deines Lebens wurde über Dich gelacht. Da wurdest Du von Menschen herabgesetzt. Auch ich habe andere ausgelacht, und ich wurde auch ausgelacht. Und beide Sachen fühlen sich rückwirkend echt nicht gut an.
Humor in Deutschland hat nie damit zu tun, dass man auf einer Ebene stattfindet. Man redet nicht mit anderen, man redet über andere. Es geht immer darum, sich über den eigenen Status zu verständigen. Man redet nicht mit Jugendlichen, man redet über sie.
Wenn Bernd Stelter sein Cäppi umdreht und „Yoyo“ ruft, dann denke ich: das macht seit hundert Jahren keiner mehr. Dieses Yoyo existiert nur noch zwischen dem Publikum und dem Künstler. So wurden junge Leute schon immer nachgemacht, da habe ich drüber zu lachen. Aber es ist nichts Neues.
Du hast Dich mit 18 bei dem Sender Giga beworben..
Ich habe mich nicht beworben. Ich habe im Internet als Shoutcaster Videospiele kommentiert. Ich setzte mir ein Headset auf, machte ein Online-Radiosender auf, einen Stream, nannte ihn „B. tuned“, und da waren wir, eine Gruppe von Leuten, die einfach Bock hatten, Videospiele wie Sport zu kommentieren.
Und da wurde gesagt: „Morgen spielt Mannschaft A gegen Mannschaft B, und es gibt ein Shoutcast von Maxi Gstettenbauer“, dann hast Du da draufgeklickt und hast mit WinAmp mich gehört. Das war so erfolgreich, dass Giga auf mich zukam. Und dann zog ich mit 18 von dem kleinen Ort Schwarzach mit 3.000 Einwohnern nach Köln. Die ersten fünf Jahre lebte ich in Kalk, 2013 zog ich der Liebe wegen in die Südstadt.
Erst war ich bei dem Internetsender Giga2. Aber ich wusste: wenn ich es ins Entertainment schaffen und nicht nur über Videospiele reden will, bis ich 40 bin, dann muss ich zu Giga Games, dem TV-Sender. Ich musste dreimal ins Casting, und dann war ich immer noch 18 und live im Fernsehen.
Worum geht es in Deinem Programm?
Meine Programme entwickeln sich, weil ich mich ja auch verändere. Gerade im dritten Programm geht es prinzipiell ums Erwachsen-Werden: wie geht man damit um, dass man andere Achtzehnjährige sieht, die etwas ganz anderes machen, und man merkt, dass man nicht mehr zu den ganz Jungen gehört. Auch gewisse Trends oder diese Influencer – das kapier ich nicht! Ich verstehe, wie das Prinzip dahinter funktioniert, aber ich verstehe nicht, wie man das verfolgen oder hypen kann. Die meisten Comedians würden jetzt hergehen und sagen: „Wuääh, die Influencer sind alle dumm“ und äffen die dann nach. Ich mache mich eher über mein Nicht-Verstehen lustig. Ich versuche immer, selbst die Punchline (dt. Pointe) zu sein. Den erhobenen Zeigefinger finde ich immer wahnsinnig anstrengend und auch langweilig.
Wenn ich auf der Bühne etwas thematisiere - das kann das abgegriffenste Thema überhaupt sein – dann muss ich einen interessanten Winkel finden. Fühlt es sich für mich authentisch an, dann fühle ich mich damit wohl und langweile auch niemanden damit.
Aber wenn jemand mit meiner Farbe, meinem Humor grundsätzlich nichts anfangen kann, dann langweile ich den, egal was ich mache.
Viele Comedians und Kabarettisten machen eine Disziplin daraus, auf Facebook möglichst lange, moralische, aufklärerische Posts zu machen. Ich sehe allerdings den Sinn dahinter nicht. Es ist nicht witzig, es ist einfach nur lang. Und in jeder Zeile steht: ich hab recht, ich hab recht, ich hab recht, wir sind gut, wir sind gut, wir sind gut..
Ich glaube nicht, dass unsere Gesellschaft gerade den Bach runtergeht. Die Menschheit hat eine sehr bewegte Geschichte hinter sich. Ja, der Umgangston im öffentlichen Raum ist rauher geworden. Aber dadurch sind die Menschen auch wieder sensibler geworden.
Man darf aber auch keine Angst davor haben, dass die Gegenseite in manchen Punkten vielleicht das bessere Argument hat. Ich zitiere mal den umstrittenen Michel Friedmann, der sagte, dass man, wenn man mit einem Nazi redet, sich darauf verlassen muss, dass man aus seiner Position heraus stärker ist, durch seine Argumente und sein Wissen. Wenn man sich über den politischen Gegner nur lustig macht, sagt man unterbewusst, man MUSS sich lustig machen, weil man sonst keine Chance hat. Aber Politik ist nicht mein Parkett. Ich finde, witzig sein ist schon schwer genug, warum auch noch die Welt verändern wollen?!
In Interviews sprichst Du über Philosophisches und Theoretisches zur Comedy, aber streust keine Comedyteile ein. Machst Du das unbewusst oder ganz bewusst?
In meiner Moderatorenzeit bei Giga habe ich gelernt: wenn Du zu sehr an Deiner Vorstellung von einer Situation festhältst, bist Du nicht präsent im Moment. Deshalb mache ich auch keine Stand Ups abseits der Bühne.
Ich beschäftige mich ständig mit Comedy und schaue mir viel an. Wenn ich z.B. bei Boing! bin, sehe ich mir immer alle Comedians an. Denn ganz egal, ob man zwei Wochen dabei ist oder zehn Jahre – es gibt immer eine Lektion, die man für sich mitnehmen kann. Die Live-Situation ist eine nicht zu meisternde Geschichte. Jeder, der denkt, das ist total easy, der hat einfach keine Ahnung. Der weiß nicht, wovon er redet. Und davon gibt es einfach ziemlich viele. Man kann es nur den Leuten erklären, die es wirklich mal gemacht haben
Viele Stand Up Comedians wie Hazel Brugger oder Felix Lobrecht kommen über den Poetry Slam zum Stand Up. Hilft das, hindert das, oder spielt es keine Rolle?
Ich würde erstmal sagen: Bühne ist Bühne. Beim Poetry Slam hast Du ein Blatt Papier in der Hand. Aber selbst ohne das Blatt Papier weiß das Publikum, dass da etwas Geschriebenes, etwas Artifizielles kommt. Es lässt sich darauf ein und hört zu.
Aber einen witzigen Text vorzulesen ist etwas ganz anderes als eine gute Stand Up Nummer zu machen. Die Erwartung ist beim Stand Up eine völlig andere. Viele Poetry Slammer fallen deshalb auf die Schnauze. Es liegt nicht an ihnen. Es liegt daran, dass Stand Up Comedy schwer ist.
Über welche deutschen Comedians kannst Du lachen?
Torsten Sträter ist gut, Ben Schmid aus Berlin, Jan van Weyde, und ich lache auch über Markus Krebs. Der erzählt klassische Witze, aber das kann ich mir angucken und witzig finden.
Im Podcast „Comedy Gold“ sprachen die Comedians Thomas Spitzer und Thomas Schmidt darüber, dass es 10.000 Comedians in London und 30.000 in Manhattan gibt, aber in ganz Deutschland vielleicht 1.000 inklusive aller, die ein einziges Mal auf der Bühne waren und dann nie wieder.
Die Konkurrenz wird hier mehr, aber sie ist überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was in den Staaten und in London los ist. Gerade London ist brutal. Stand Up Comedy als Abendunterhaltung ist in Deutschland überhaupt nicht angekommen. Die Leute kommen auch gar nicht auf die Idee, dass man das selbst mal machen könnte. In Amerika ist das ja wie Karaoke, da hat jeder auf der Highschool schon mal Stand Up gemacht.
Du hast mehrfach Robin Williams getroffen, wie kam es dazu?
Ich war 2011 mit dem Stand Up Comedian Andy Valvur, der auch in der Südstadt lebt, beim Comedy Day in San Francisco. Robin Williams war ein enger Freund von ihm. Und plötzlich stand er neben mir am Burger Buffet. Ich hatte ihn kaum erkannt, mit Mütze und Vollbart. Ein Jahr später trafen wir uns wieder, und er erkannte mich, den einzigen Deutschen, wieder: „Hey Max, how is Germany?“
Dann waren wir zusammen mit einigen Leuten in einem kleinen Comedy Club, und er sah mich auf der Bühne. Später beim Essen sagte er zu mir: „Du bist hier am Tisch ganz anders als auf der Bühne. Du musst den Max vom Tisch auf die Bühne bringen. Be you! That’s the only way, how it could work.“ Er hat nicht gesagt, es WIRD funktionieren, sondern es KÖNNTE so funktionieren. Das fand ich ganz groß von ihm.
Zurück in Deutschland habe ich dann mit der Nummer „Ich bin ja kein Nazi, aber...“ auf Anhieb 800.000 Aufrufe gehabt. Weil ich dabei über ein Thema gesprochen habe, das mich wirklich bewegt und dadurch auf einmal „real“ war. Das aktuelle Programm ‚Maxipedia‘ ist nicht mehr geschrieben oder konstruiert im Kopf.
Bei Evernote (Notiz-App) notiere ich den ganzen Tag Ideen, aktuell sind es 1.252 Notizen, immer eine Zeile lang. Ich scrolle durch, und was mich anspringt, darüber rede ich. Stand Up heißt reden, nicht schreiben. Ich schreibe meine Sache nur in Stichpunkten auf. Ich muss da oben ein Risiko eingehen, ich sage etwas, das mir wichtig ist, aber es muss witzig ein. Wenn es nicht witzig ist, bringt es nix.
Viele deutsche Comedians schaffen sich ein Alter Ego, mit Perücke oder Sprachfehler. Und merken dann, dass sie nichts Authentisches mehr haben.
Gerade die deutsche Medienlandschaft liebt es, Dich in eine Form zu pressen. Auf Catchphrases (sowas wie „Richtiiiig!“, „Kennste?“ oder „Darf der das?“, Anm. der Red.) fährt diese Branche ab, weil es bei den Leuten auch so gut funktioniert. Aber so werden Künstler kaputt gemacht. Man sieht in ihnen erst Potenzial und Authentizität, dann wird denen eine lustige Jacke gegeben, die sie immer anziehen, und dann werden sie schlechter. Und noch schlimmer wird es, wenn die damit dann Erfolg haben. Ich reagiere da mit Totalverweigerung. Und dafür, dass ich den branchenüblichen Schnickschnack nie mitgemacht habe, bin ich auf einem sehr komfortablen Level angekommen.
Dein unglaubliches Timing auf der Bühne kommt vom ‚Rundspielen‘, wie Du es nennst, und auch durch Intuition?
Es ist in dem Moment ein Gefühl, das mit Präsenz zu tun hat. Die meisten haben, wenn sie spielen, immer noch ihren Text im Kopf. Ich gehe auf die Bühne und bin zu 100% präsent.
Ob Bill Burr, Dave Chappelle, George Carlin oder Louis C.K.: all die Leute, die ich immer geil fand, die haben einfach ihren Style, die kannst Du nicht in eine Form pressen. Du kannst nicht sagen; das ist ‚observational comedy‘ oder das ist ‚insult comedy‘ oder sonstwas.
Der eine sagt: „Geil!“, der andere sagt: „Verstehe ich nicht!“ Ein Comedian muss eine Stimme haben, ein eigenes Ding. Die Menschen sind so labelsüchtig: „Was ist das?“ Das ist Maxi Gstettenbauer.
Ich will ‚Maxi Gstettenbauer‘ sein!
Vielen Dank für das angenehme Gespräch.
Podcast: Gstettentime
TV: Comedy Central: „Stand Up 3000“
BR: seit August moderiert er die Panel-Show “Was ist das denn?“
Sein Programm ‚Maxipedia‘ hat er auf eigene Kosten aufgezeichnet und es als ‚Pay-what-you-want‘ auf seiner Homepage zum Download bereitgestellt.
Der Artikel erschien zuerst auf Meine Südstadt.