"Thank god, you've got the perfect glass!"
Der Winzer Jay Christopher Somers aus Oregon, nördlich von Kalifornien, ist ein leidenschaftlicher Jazzgitarrist. Wenn andere zum Entspannen Yoga machen, spielt er eine Stunde Gitarre. Jeden Morgen. Momentan fällt ihm das schwer, denn er tourt mit seinen ausgezeichneten Weinen durch Deutschland. Letzten Mittwoch machte er Station bei Claudia Stern in ihrem Restaurant ‚Vintage’ und erzählte über seine Arbeit als Winzer in Oregon. Seit 1996 macht er Pinot Noirs, also Spätburgunder.
Foto: Barbara Siewer Wer wie ich in der Südpfalz aufgewachsen ist, interessiert sich brennend für alles, was mit Wein zu tun hat. Am meisten natürlich dafür, ihn auch zu trinken. Daher war ich sehr erfreut, als ich von Claudia Stern zu dem exklusiven Winetasting eingeladen wurde. Stern hat sich dem Motto ‚Save water - drink wine’ verschrieben. Regelmäßig finden in ihrem Restaurant im Rheinauhafen exklusive Abende in kleinen Gesellschaften statt, an denen interessierte Genießer gut essen und trinken und mehr über Weine erfahren dürfen. Ernst Loosen, dem das Weingut ‚Dr. Loosen’ in Bernkastel/Kues gehört, das sich seit 200 Jahren im Familienbesitz befindet, liebt Pinot Noir. So lernte er Jay Christopher Somers Weine und später auch ihn selbst kennen. Vor fünf Jahren gründeten sie gemeinsam das ‚Apassionata Weingut’ in den Chehalem Mountains in Oregon und arbeiten seitdem zusammen. Als Aperitif gibt es einen Riesling von Dr. Loosen, und wir lernen uns, eine illustre Gruppe von Weinkennern, an Stehtischen und bei kleinen Häppchen kennen. Désirée Schröder, Assistentin von Ernst „Ernie“ Loosen, erklärt, dass er selbst heute nicht anwesend sein kann, weil er nach den vielen Terminen auf der Messe ‚ProWein’ schlichtweg zu erschöpft sei. Ohne Ernie Loosen, dem sein Ruf vorauseilt, denn jeder der Anwesenden scheint eine Anekdote von ihm berichten zu können, machen wir es uns nun an der großen Tafel gemütlich. Somers erfreut sich beim Hinsetzen an der Glasauswahl: "Thank god you have the perfect glass!“ In einigen Ländern werde sein Wein auch schon mal aus Wassergläsern getrunken. Doch dieser Fauxpas findet hier nicht statt. Den Sauvignon Blanc und somit den letzten Weißwein für heute Abend gibt es im standesgemäßen Weißweinkelch. Der erste Gang ist ein ‚Dreierlei von Thunfisch als Tatar, Sushi und Thunfisch in Kakaomantel’. Dazu erzählt Jay Anekdoten aus dem Weinbau: wie schwierig es war, ein Grundstück zu finden, bei dem der Boden konsistent gleich ist. Jede Bohrung führte neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit zutage. Beschwerlichkeiten, über die man sich keine Gedanken macht, wenn man bei ALDI zum 1,69€-Rosé greift. Aber wer hier sitzt, weiß natürlich, welche Wissenschaft es sein kann, Wein anzubauen, ihn zu keltern und zu veredeln.
Das Besondere an Jays Weinen ist, dass er keine Mund- oder Fruchtbomben erschaffen will. Eher Weine nach „old European way“. Und genau diese Strategie macht seine Weine auch so besonders. Zum zweiten Gang werden mit Radicchio, Gorgonzola und Walnüssen gefüllte Ravioli serviert. Dazu der erste Pinot Noir aus den Dundee Hills. Klingt ja schon cooler als „von der Mosel“, und schmeckt auch sehr gut. Wir lernen, dass Jay die Weine in ‚Feminin’ und ‚Masculine’ einteilt. Die maskulinen Weine hätten mehr Tannin, mehr Struktur, seien komplexer. Eine weitere Erkenntnis, die Jay mit uns teilt: Nicht jeder Wein müsse ihm persönlich schmecken, um verkauft zu werden. Und die Mode, zu Rotweinen Bitterschokolade zu reichen, kann er nicht nachvollziehen. Für ihn besteht die perfekte Kombination eher in Wein plus Lamm oder Ente, lacht er. Und da kommt dann auch schon das Lammkarré auf Portweinsauce mit Pommes-Anna und Böhnchen. Dazu Pinot Noir aus den Chehalem Bergen. Die Gespräche am Tisch werden lauter, die Menschen unterhalten sich miteinander, um immer wieder innezuhalten, wenn Winemaker Jay etwas Interessantes zu einem Wein einfällt. Mit den Weinflaschen öffnen sich nun auch die Leute, und es wird viel gelacht, Stühle zusammen gerückt, und bei der Käsevariation zum Abschluss gibt es dann kein Halten mehr: Die Gruppe ist zu einer fröhlichen Runde verschmolzen. Claudia Stern und ihr Team haben bewiesen, was Gastgeben bedeuten kann. Kurz vor Mitternacht, nach fünf Stunden, vier Gängen und letztlich sieben verschiedenen Weinen gehen wir aus dem Vintage in die kalte, sternenklare Märznacht. Satt, glücklich und schön einen in der Krone. Aber nur von feinsten Weinen.
Und weil ich es Jay versprochen habe, erwähne ich in diesem Artikel unbedingt noch den wunderbaren Jazzmusiker Michael Franks, der leider in Europa nahezu unbekannt, in den USA aber jedem Jazzfreund ein Begriff ist.
Mehr im Netz Die Weine kann man im Kölner Weinkeller kaufen. Jay Christopher Somer´s Weine
Dieser Artikel erschien zuerst auf Meine Südstadt