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Wer zuletzt lacht…Juri von Stavenhagen

Juri von Stavenhagen lebt in der Südstadt und arbeitet seit mehr als drei Jahren als Stand Up Comedian. Ich traf ihn im WIPPNBK. Anlass ist der Jahresrückblick im Boing Comedy Club, wo er gemeinsam mit Müro Bakar und Michael Ulbts auf die ihnen zugeteilten Monate von 2018 zurückblickt.

Mann vor einer Mauer

Wie sieht denn so ein Jahresrückblick aus?

Drei Comedians teilen sich das Jahr in 3 x 20 Minuten ein, und jeder übernimmt vier Monate. Ich spreche über September bis Dezember. Im ersten Jahr war das sehr schwarzhumorig. Es war 2016, das Jahr mit dem Attentat in Paris, das Jahr des großen Prominenten-Sterbens, worüber alle gesprochen haben: David Bowie, Guido Westerwelle..

Alle.

Alle. Ich hatte das Gefühl, ich muss das alles drin haben, aber die Leute waren eher: „Hey, gib uns mal einen Grund, dass wir uns über dieses Jahr freuen sollen!“ Torsten Schlosser hatte damals mitgemacht, und der hat das viel leichter und humoristischer angegangen. Man kann sich auch etwas Absurdes wie den Weltmännertag rausnehmen und dieses Thema bearbeiten. Das ist leichter und verdaulicher. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich den Elefanten im Raum ansprechen muss, der irgendwie da ist. Ich bin kein politischer Kabarettist, aber ich kann nicht einfach ignorieren, dass Merkel als CDU-Vorsitzende zurückgetreten ist, das muss irgendwie Erwähnung finden.

Es ist viel passiert in diesem Jahr. Wie suchst Du Dir aus den Themen die relevanten aus?

Ich habe das Archiv der Süddeutschen durchgeschaut, mir das offensichtlich Interessante rausgepickt und noch dazugetan, was mir selbst eingefallen ist. Ich schreibe ein neues 20-Minuten-Programm, das nur für drei Abende Relevanz hat. Ein Kumpel sagte mir während einer Zugfahrt, dass Stan Lee (der Erfinder vieler Marvel-Superhelden, Anm. d. Red) gestorben ist, und so absurd es war: ich habe mich darüber gefreut, denn da habe ich ja zwei neue Minuten. Wie schäbig ist das?! (lacht) Ich dampfe ein Leben von 94 Jahren auf zwei Minuten zusammen, damit ich sie in einem Jahresrückblick verwenden kann.

10 verschiedene Themen in 20 Minuten?

Es sind längere Blöcke, die sich daraus zusammensetzen. Ich habe das Gefühl, man kommt dieses Jahr an Rassismus nicht vorbei. Gerade, was mit #wirsindmehr los war, es gab über 250 Rechtsrock-Konzerte, darüber kann man mal reden.

Also Nazibands? Wohl eher im Osten?

Ja. Alles wird hochgeschaukelt. Es wird immer übertrieben. Die Leute erzählen von schockierenden Szenen in Chemnitz, und dann bin ich überhaupt nicht überrascht, wenn ich mir die Videos ansehe, denn ich sehe genau das, was ich von Nazis erwartet habe.

Und dann noch mit ‘ner Punchline?!

Na klar. Hoffe ich doch. Ich mag es, wenn man so betroffen über Rassismus redet, aber dann findet gleichzeitig eine Weltmeisterschaft statt, wo ein latenter Rassismus gegen andere legitim ist und man vorm Fernseher sitzt und schimpft: „Die verdammten Mexikaner haben uns wieder rausgeschmissen.“

Wie unterscheidet sich der Auftritt am Donnerstag von Deinen anderen?

Meine Geschichten sind immer persönlicher Natur oder entstehen aus Alltagssituationen. Hier arbeite ich mich an Newsthemen ab, das ist ein anderer Ansatz. Letztes Jahr konnte ich allerdings von den 20 Minuten Überblick 3-4 Minuten ins Jahr reinretten, denn manche Themen wie #metoo waren länger relevant.

"Ich setze mich nur gegen Nazis ein, damit Campino nicht in meine Stadt kommt."

Apropos #metoo: hast Du das mit Jean-Claude Juncker mitbekommen, wie er der Vize-Protokollchefin Pernilla Sjölin durchs Haar wuschelte?

Ach, ich mag den Juncker irgendwie. Wie er so schön den Brexit abgecancelt hat.

Ich habe ja einen soft spot für Donald Trump. Er unterhält mich. Und mich langweilt, wenn man sich über ihn lustig macht.

Trump-Bashing ist mir zu lahm. Da ist jeder Witz gemacht worden. Ich muss über den Merkelrücktritt reden, dabei ist auch dazu alles gesagt. Wir haben alle unsere Mutti-Witze gemacht, wir haben alle unsere Trump-Perücken und sonstigen Jokes erledigt, und ich muss jetzt nicht noch einen bringen. Ich mag da den Ansatz von Sebastian Richartz, der damit spielt und kokettiert, dass es kacke ist, den gut zu finden. Er skandiert dann „Trump! Trump!“, und keiner macht mit. Kennst Du Hannah Gadsbys Netflix-Comedy-Special „Nanette“?

Das war eher ein TEDTalk.

Ja, da passt der Begriff „Clapter“, die Kombination aus Klatschen und Lachen. Mehr ein “Ja, Respekt, wir stimmen Dir zu“, aber Comedy muss mich auch unterhalten. Wenn Comedy draufsteht, muss auch Comedy drin sein. Ich sehe bei Trump den Mehrwert nicht. Wie die Nummer beim 100jährigen Weltkriegs-Jubiläum, als er nicht raus wollte, weil es geregnet hat. Das ist inhärent lustig, aber dann arbeitet es die Daily Show ab, danach Colbert, und irgendwann ist der Knochen abgenagt. Dann musst Du schon eine wirklich gute, neue Idee haben.

Was hat Dich in diesem Jahr besonders bewegt?

Wie dieser Rechtsruck passiert ist und wie es rezipiert wird. Das Zusammenspiel zwischen Medien und Rechtspopulismus und was in Chemnitz passiert ist. Ich fand es absurd zu sehen, dass es so viele Rechtsrockkonzerte gab. Mich hat es persönlich interessiert, da mal reinzugucken, und was es mit uns als Rezipienten macht.

Laut einer Statistik gehen 60% der befragten Frauen nicht mehr joggen, weil sie Angst haben, von Flüchtlingen vergewaltigt zu werden. Ich fand das eine absurde Aussage. 60%? Krass. Ich habe dachte immer, ich gehe nicht joggen, weil ich eine faule Sau bin, aber anscheinend bin ich einfach nur Rassist. (lacht) Ich habe das Gefühl, dass alles, was im Internet stattgefunden hat, von dem man sonst in seiner kleinen Blase nichts mitbekommen hat, auf die Straße schwappte und realer wurde. Wir sehen es jetzt, es wird rezipiert, erfährt mehr Zulauf und auch mehr Ablehnung.

Wie kamst Du zur Comedy?

Ich machte die 11. Klasse auf einer amerikanischen High School in den USA und sah dort mit einem Schulfreund eine Live-DVD des HBO-Specials von Robin Williams. Zu dem Zeitpunkt war mir noch gar nicht klar, dass er Stand Up Comedian ist. Ich kannte ihn aus Flubber oder Good Will Hunting. Dann siehst Du den Typen aus den netten Disney-Familienfilmen, wie er richtig dirty shit macht. Im Finale imitiert er mit seinem haarigen Unterarm, wie es aussieht, wenn Männer Pussy lecken, und er zieht das drei Minuten durch. Er lässt das einfach im Raum stehen. Ich war fassungslos, das war so cool. Ich kannte sowas nicht.

Als Youtube und Louis C.K. kamen, steigerte sich das, und dann wollte ich das auch machen. Es hatte lange gedauert, von der Live-DVD mit Robin Williams bis ich auf die Bühne ging, aber seit drei Jahren mache ich das professionell. Als das Boing im Coellner um die Ecke eröffnete, kam mir die Erkenntnis, dass ich hier jede Woche spielen kann.

Was ist Dein Ziel für das nächste Jahr?

Einfach nur ein gutes Solo zu produzieren und spielen.

Wieviel hast Du schon zusammen?

Ich habe es schon einmal in diesem Jahr gespielt, 90 Minuten, in Bergneustadt. Es war eine Aneinanderreihung an Gags, es fehlt mir noch der rote Faden, da muss ich jetzt was bauen, damit ein Ganzes entstehen, was man sich gerne anhört und beim Rausgehen sagt: „das war cool“.

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Der Artikel erschien zuerst auf www.meinesüdstadt.de

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