Der Literatur auf der Spur
Isa Schikorsky liebt die Literatur und beschäftigt sich privat und beruflich mit ihr. Sie ist Autorin, gibt als Dozentin anderen Autoren Tipps und veranstaltet regelmäßig literarische Spaziergänge.
Ich mache einen literarischen Spaziergang durch die Südstadt. Mit mir treffen sich fünfzehn Frauen und vier Männer an der Bank auf der Grünfläche am Ubierring. Isa Schikorsky stellt sich kurz vor, und schon macht sich die Truppe auf den Weg.
Es leben heute sehr viele (Bestseller-) Autoren in der Südstadt, wie z.B. Frank Schätzing oder Bastian Bielendorfer, aber der Fokus auf diesem Spaziergang lag auf den Autoren, deren Schaffen im letzten Jahrhundert ihren Höhepunkt hatte.
So kommen wir nach wenigen Meter auf der Grünfläche in der Trajanstraße 10, dem „Haus Baden“ zum Stehen. Dem Haus, in dem Irmgard Keun im Alter von 77 Jahren am 5. Mai 1982 an Lungenkrebs starb.
Sie wurde Anfang der 30er Jahre mit ihren Romanen „Gilgi“ und „Das kunstseidene Mädchen“ ein Star, erklärt Isa Schikorsky. Wir erfahren weitere Eckdaten und Meilensteine des Lebens der „Asphaltliteratin“, das nach einem Trauma durch den Krieg von Alkoholsucht, Einsamkeit und Vergessenheit geprägt war. Erst 1979 wurde ihr Werk von der Öffentlichkeit wiederentdeckt, nur drei Jahre vor ihrem Tod. Im Kiosk an der Ecke versorgte sie sich mit Dornkaat und Bier. Die Gruppe dreht sich um zum Kiosk, aus dem gerade zwei Kinder mit Kratz-Eis rauskommen. Als ein Fahrradfahrer angefahren kommt, teilt sich die Gruppe und macht ihm Platz.
Isa Schikorksy gibt Lesetipps zu Keuns Werk und liest eine Passage aus deren „Selbstporträt einer Frau mit schlechten Eigenschaften“ vor.
Wir laufen weiter zur Maternusstraße, wo Heinrich Böll (auch) lebte. Er war an einigen Orten der Südstadt zu Hause. Je nachdem, wie es finanziell lief. Schikorsky gibt Eckdaten und kurze Einblicke in das Leben Bölls. Die Gruppe steht ruhig auf dem Bürgersteig und hört zu: „Was soll aus dem Jungen bloß werden?“
Durch den Römerpark, vorbei an picknickenden Müttern und rennenden Kindern, bleiben wir vor den großen Toren der TH stehen. Die Universität in Köln wurde 1388 um den Dom herum gegründet und 1798 von den Franzosen geschlossen. Das Gebäude, vor dem wir nun stehen, wurde 1905-1907 als Handelshochschule gebaut, später zur Werkkunstschule und danach zur Fachhochschule umgewandelt.
Da ich diesen Platz nur selten betrat, fiel mir bisher auch gar nicht auf, worauf uns Isa Schikorsky nun aufmerksam macht: Auf den Bodensteinen liest man Namen. Namen von Autoren. Autoren, deren Bücher hier verbrannt wurden. Während einer Bücherverbrennung im Dritten Reich. 2001 gab es dazu eine Gedenkveranstaltung, erfahren wir. Elke Heidenreich hat dabei Passagen aus Irmgard Keuns Werk vorgelesen. Die Namen haben Schüler des Berufskollegs der Steinmetze eingraviert.
Und so gehen wir weiter. Wir lauschen in der Mainzer Straße unter Robinien dem Werk von Dieter Wellershoff. „Der Liebeswunsch“ spielt zum Teil in der Südstadt, und Schikorsky liest vor, was wir in diesem Moment auch gerade erleben: von spielenden Kindern im Römerpark, von Biertischen, vom Grillen, vom Biergarten in der Alteburger Straße, nur wenige Schritte stadtauswärts.
Es ist schwül. Wir stehen jetzt im Friedenspark und schauen auf die Südbrücke. Wir lauschen dabei Böll, der von der Südbrücke schreibt, die für ihn etwas Düsteres und Bedrohliches hat. Es donnert. Ich weiß genau, was Böll meint.
Mit den anderen komme ich immer wieder zwischen den kurzen Wegen zwischen den einzelnen Stationen kurz ins Gespräch. Eine Frau erzählt mir, sie sei in einem Literaturkreis, in dem sie sich alle auf ein Buch einigen, das sie innerhalb von sechs Wochen lesen, um sich dann zu treffen und darüber zu sprechen. Auch eine andere Frau erzählt mir, sie sei in einem solchen Literaturkreis. Ich staune.
Wir spazieren noch an einigen Stationen aus Heinrich Bölls Leben vorbei, halten immer wieder an, erfahren Details aus dem Leben und hören kurze Textpassagen aus seinem Werk, die ich nicht vorwegnehmen möchte. Schließlich könnte es ja sein, dass Sie jetzt Lust haben, selbst einen literarischen Spaziergang mitzumachen.
Die Gruppe kommt noch am Früh em Veedel vorbei, zu dem es auch noch ein kleines Detail zu erzählen gibt, und sie trennt sich am Severinskirchplatz und verteilt sich in eine schwüle Sommernacht.
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Die Reportage erschien zuerst auf Meine Südstadt.