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Über Nacht zum Literaturstar?!

„Hier saß ich Tage und Wochen und schrieb einsam an meinem Roman, und jetzt wurde er noch vor Erscheinen in so viele Länder verkauft, und die Filmrechte liegen bei einer Firma in Hollywood. Verrückt!“ Diese Zeilen las ich in einem facebook-Posting, das eine Freundin geliked hatte. Dazu das Foto einer schönen Frau. Melanie Raabe. In der Pressekonferenz zur letzten Crime Cologne wurde sie noch als Newcomerin und Shooting Star gehandelt, in dieser Woche steht ihr Bestseller „Die Falle“ in der Taschenbuchausgabe auf Platz 6 der Spiegel-Bestsellerliste. In dem Thriller geht es um eine Frau, die ihr Haus seit elf Jahren nicht mehr verlassen hat, und darum, wie sie dort auf den Mörder ihrer Schwester trifft. "Ein gewitzter und packender Psychothriller (...) auf internationalem Niveau“, schreibt z.B. der WDR über den Krimi.

Melanie Raabe

Man glaubt, der amerikanische Traum sei vorbei. Kein Popstar wird mehr Millionär, Digitalisierung nämlich führt zu De-Materialisierung, nicht zu Monetarisierung. Und doch sehen wir hier, wie ein Traum wahr wird: eine junge Frau schreibt ihr erstes Buch, wird entdeckt und international gefeiert. Über Nacht zum Literaturstar – wie geht das denn? Ist das nicht zu schön, um wahr zu sein? Um mehr über diesen, für Melanie Raabe wahr gewordenen Traum vieler Autoren zu erfahren, traf ich sie letzten September im Café Leuchte in der Südstadt. Seit wann hast Du Deine Leidenschaft für Bücher? Schon als Kind habe ich viel gelesen, am liebsten Abenteuerbücher. Das Buch, das ich damals geliebt habe, war „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Heute lese ich immer noch gerne und viel: neue, deutsche Literatur, Klassiker, Sachbücher. Mein Lieblingsbuch ist „Alles ist erleuchtet“ von Jonathan Safran Foer. Wann kam dann Leidenschaft für das Schreiben auf und wie kam es zu diesem unglaublichen Erfolg? Ich habe immer schon gerne geschrieben, und als ich vor knapp zehn Jahren meinen ersten Roman fertig geschrieben hatte, schickte ich ihn einem renommierten Berliner Literaturagenten. Der lehnte das Manuskript ab, aber er gab mir den Hinweis, er könne mir gerne erklären, aus welchen Gründen er es abgelehnt habe und wie ich es besser machen könne. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich überarbeitete das Manuskript, und er bot es diversen Verlagen an. Die hatten aber alle kein Interesse. Ich schrieb mein zweites Buch. Abgelehnt. Mein drittes Buch. Abgelehnt. Mittlerweile hörte der Literaturagent mit seiner Tätigkeit auf, aber er vermittelte mich an eine Frankfurter Agentur. Die versuchten mein mittlerweile viertes Buch zu vermitteln. Ohne Erfolg, aber die Verlage wurden hellhörig. Die Agentur gab mir den Tipp: ‚Dieser Roman ist gut, aber er entscheidet sich nicht zwischen Roman und Thriller. Werde klarer in dem Genre, dann können wir es den Verlagen besser anbieten.’ So schrieb ich im Januar 2014 ein Exposé für einen Thriller. Die ersten zwanzig Seiten schrieb ich dazu. Die Agentur bot das Exposé und die ersten 20 Seiten verschiedenen Verlagen an. Und da schlug der Verlag btb von Random House zu. Das war im Februar 2014. Im Oktober 2014 hatte ich den Roman fertiggeschrieben. Er war noch nicht erschienen, wurde aber auf der Frankfurter Buchmesse der internationalen Verlagsszene vorgestellt. Die ersten ausländischen Verlage wurden aufmerksam. Auf der Londoner Buchmesse kam es zu einem Bieterkrieg, denn mein Manuskript – so erfuhr ich im Nachhinein – war der absolute Hype, vor allem viele englische und amerikanische Verlage wollten die Buchrechte haben. Auf der Berlinale Anfang Februar 2015 wurde das Buch dem internationalen Publikum vorgestellt. Und im Anschluss daran wurden die Filmrechte von einer renommierten Filmproduktion in Hollywood erworben. Das Buch war erst kurz zuvor überhaupt in Deutschland erschienen.

Melanie Raabe

Du wurdest so oft abgelehnt, aber Du hast immer weiter gemacht. Und jetzt ist der Erfolg da. Das ist beeindruckend, und auch erkenntnisreich. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, man müsse viele Jahre hart arbeiten, um über Nacht berühmt zu werden. Hast Du nie darüber nachgedacht, aufzugeben? Ob ich jetzt verlegt werde oder nicht: Ich schreibe ja sowieso. Ich schreibe einfach sehr gerne, und gar nicht unbedingt nur für andere. Und wenn ich mich mit anderen Autoren unterhalte, dann sind die abgelehnten Manuskripte nicht die Ausnahme, sondern eher die Norm. Wie kam es dazu, dass Du Dich für das Genre Thriller entschieden hast? Dass das erste Buch ein Thriller wird, diktierte die Idee. Ich hatte die Vorstellung von einer Frau, die ihr Haus nicht verlassen kann. Dann muss man zunächst überlegen, warum sie das nicht kann, und warum das vielleicht zu einem Konflikt führt. Das ist Spannungsstoff. Die besten Ideen kommen aber beim Schreiben. Ich probiere was aus, schmeiße es wieder weg, packe komplette Absätze von Seite 300 auf Seite 5. Ich mache mir beim Schreiben zwar einen Plan, nehme mir aber auch die Freiheit, ihn wieder zu verwerfen. Hast Du eine Schreibroutine? Ich schreibe ganz früh am Morgen. Ich war schon immer ein Earlybird. Als ich noch vielen anderen Jobs nachging, stellte ich den Wecker oft auf 4 Uhr, um vorm Beginn des eigentlichen Arbeitstages zu schreiben. Auch heute setze ich mich gerne morgens als Erstes in die Wohnküche an den Küchentisch und tippe in meinen Computer. Das hat sich bewährt, denn nur mit der Hand zu schreiben dauert mir oft zu lange, da fließen die Gedanken nicht so schnell auf das Blatt, und irgendwann tut die Hand weh. Hast Du Vorbilder? Ich habe keine Vorbilder. Ich verbiete sie mir. Vorbilder schüchtern mich ein, und ich denke mir: „Bleib doch lieber Leser. Es gibt schon so viele Bücher, was kann ich noch Neues beitragen?“ Ich kann nur die beste Version von mir selbst werden. Du bist gerade viel unterwegs, liest am Mittwoch im Alten Pfandhaus.. Ich komme gerade aus der Eifel, war kürzlich in Vellmar bei Kassel, letzte Woche besuchte ich meinen Verlag in Italien. Ich lerne viele Buchhändler kennen, das ist ein großer Spaß. Ich finde Buchhändler toll. Die sind wie ich: Sie lieben Bücher! Ich nehme möglichst jede Lesung an, die sich mir bietet, weil es eine so große Freude für mich ist. Im Anschluss daran fahre ich aber gerne wieder nach Hause, damit ich morgens wieder an meinem Küchentisch sitzen und schreiben kann. Im Oktober muss ich das Manuskript für mein nächstes Buch abgeben. Es wird wieder ein Thriller, allerdings mit neuem Personal. Wir bedanken uns ganz herzlich für das schöne Gespräch.

Das Interview erschien zuerst auf Meine Südstadt

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